Innere Unruhe und Schlafstörungen

Mai 21, 2024

Vor kurzem hatte ich einige Telefonate mit einer Freundin, der es im Moment nicht so gut geht. Das erste Mal telefoniert haben wir vor etwa einem halben Jahr. Sie hat im Job einen Karriere-Sprung gemacht und plötzlich sehr viel Verantwortung – darauf hat sie viele Jahre hingearbeitet und es war ihr großer Traum. Eigentlich sollte alles wunderbar sein, oder etwa nicht?

Als sie mich anrief, erzählte sie mir, dass sie jeden Tag, besonders abends, eine starke innere Unruhe verspüre, Herzrasen bekomme und schlecht schlafe. Die Gedanken rasen. Es sei alles zu viel. Die Aufgaben im Job werden immer mehr, sie scheinen unbewältigbar. Wenn eine Aufgabe erledigt ist, haben sich in der Zwischenzeit fünf weitere angehäuft. Die Kollegen sind wenig Hilfe, die ziehen sich seit der Beförderung eigentlich immer weiter zurück. In der Familie gibt es gerade Schwierigkeiten, weil es einem Familienmitglied sehr schlecht geht und meine Freundin Arzt-Termine und Einkäufe organisieren muss. 

Die Frage meiner Freundin war: Klara, weißt Du irgendetwas Pflanzliches, das ich gegen diese innere Unruhe nehmen kann, damit ich wieder schlafen kann?

Ich kann diese Frage sehr gut verstehen, denn wir wünschen uns “die eine Pille”, die das Problem löst. Aber tut sie das?

Ich würde eher die Frage stellen: Warum kommt es zu diesen Unruhezuständen? Und wo muss man ansetzen, um das Problem bei der Wurzel zu packen?

Meine Antwort war: Dein Nervensystem scheint unter Dauer-Anspannung zu stehen. Da prasseln beruflich und privat so viele Anforderungen auf Dich herein und Dein Nervensystem schafft es nicht mehr, diese auszubalancieren. Untertags kriegen wir oft gar nicht so viel davon mit, weil wir selbst sehr aktiv sind, aber abends, wenn wir zur Ruhe kommen sollten, fährt das Nervensystem einfach nicht mehr herunter. Und dies zeigt sich oft in innerer Unruhe, Aufgewühlt-sein, Gedankenrasen und Nervosität.

In weiteren Gesprächen erzählte sie mir, dass sie gerade eine Phase hat, in der sie gar nicht mehr schlafen kann. Sie sei die ganze Nacht wach und könne sich am nächsten Tag auf nichts mehr konzentrieren. Ihre Frage war: Hört das jemals wieder auf?!?

Meine Antwort als Freundin: Ganz sicher. Aber Du musst dringend etwas tun.

1) Mein allererster Ansatz ist: Es ist jetzt gerade einfach so. Versuch mal, in die vollkommene Akzeptanz zu gehen. Und das bedeutet nicht, dass wir die Situation gutheißen oder uns wünschen. Es bedeutet nur, dass wir für den Moment den Widerstand aufgeben. Gegen die Nervosität. Gegen die innere Unruhe. Gegen das Nicht-schlafen. Es ist jetzt gerade einfach so.  Es ist jetzt gerade so. Es ist jetzt gerade so. Hierbei kann man ein paar ruhige Atemzüge nehmen. Jetzt gerade ist es so, aber das heißt nicht, dass es so bleiben muss. 

Also: Nimm die Situation für den Moment an.

2) Wo können Aufgaben abgegeben werden? Kein Job der Welt ist es wert, dass wir unsere Gesundheit deswegen gefährden. Und ja, das fühlt sich anfangs nicht gut an. Besonders dann, wenn man ein Mensch ist, der es immer allen anderen recht machen will – und eigentlich die Person ist, die DEN ANDEREN die Arbeit abnimmt. Aber damit ist jetzt Schluss. Die Aufgaben MÜSSEN neu verteilt werden. Meine Freundin erzählte mir, dass sie jetzt im Job sogar mehr Unterstützung bekommen hat, als sie anfangs dachte. Die Kollegen waren der Meinung, sie wolle alles alleine machen und haben deswegen keine Hilfe angeboten.

Also: Frag um Hilfe.

3) Ruhe in das Nervensystem bringen: Meine Freundin ist prinzipiell ein recht aktiver Mensch und viel mit ihren Freunden unterwegs. Nachdem ich ihr in unseren Gesprächen die Leviten gelesen hatte, dachte sie, sie dürfe nur mehr zuhause am Meditationskissen sitzen und beruhigende Musik hören. Weit gefehlt! Das Nervensystem lässt sich natürlich über körperorientierte Übungen, Psychotherapie, Meditation, Atemübungen etc. beruhigen, aber: Hauptsächlich geht es eigentlich darum, Dinge zu tun, bei denen man sich pudelwohl fühlt. Denn dabei kommt das Nervensystem auch in die Entspannung. Die Frage meiner Freundin war: Klara, denkst Du, soll ich mich morgen dann überhaupt mit meinen Mädels treffen oder ist das meinem Nervensystem zu viel? Meine Antwort war: Wenn Du Dich dabei wohlfühlst, Dich darauf freust und dort lachst, dann solltest Du da hingehen.

Also: Mach Dinge, bei denen Du Entspannung spürst, die sich ganz leicht anfühlen.

4) Schlafroutinen: Meine Freundin schaut abends eigentlich gerne fern, hat sich das aber selbst verboten, da man ja kurz vor dem Schlafen nicht mehr fernsehen solle, weil das Licht unseren Schlaf störe. Sie würde auf der Couch schon eindösen, schleppe sich dann aber ins Schlafzimmer, weil dort ja die gute Matratze liegt, die so wichtig für den Rücken ist. (Und dort liegt sie dann bis morgens wach und dreht sich von einer auf die andere Seite.) Mein Ansatz, wenn etwas so verfahren ist: Mach etwas komplett anders. Schlaf auf der Couch. Lass den Fernseher an. Zwing Dich zu nichts. Geh nicht mit dem Gedanken ins Bett, schlafen zu MÜSSEN. Es ist so wie es ist. Wobei wir wieder bei der Akzeptanz wären. Und wenn Du schon tagelang gar nicht schläfst, dann lass Dich bitte krankschreiben. Kein Job auf der Welt ist es wert, dass wir unsere Gesundheit gefährden. Kennst Du ja schon von mir.

Also: Ändere Deine Routine, auch wenn es sich komisch anfühlt. Mach es komplett anders als sonst.

Und am nächsten Tag kam eine Nachricht:

“Klara, ich habe durchgeschlafen. 🥳 Ohne innere Unruhe. Danke. 😘😘😘”

Und nein, ich bin kein „Wunderfuzzi“. Ich glaube, die größte Hilfe war, dass ich gesagt hatte: “Ich hatte das auch. Und das hört wieder auf.” Da hörte ich am anderen Ende der Leitung einen erleichterten Seufzer.

Worte bewirken oft so viel. Und können das Nervensystem beruhigen.

Wobei wir wieder dabei wären: Frag um Hilfe. Manchmal bekommen wir Hilfe von Menschen, von denen wir es gar nicht erwarten.

Wir schaffen das. 💚

Deine Klara

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Hinweis: Die bereitgestellten Inhalte dienen ausschließlich dem Informations- und Bildungszweck und ersetzen keine psychotherapeutische und ärztliche Behandlung. Mehr Informationen findest du hier: https://klarahanstein.com/agb/

Klara Hanstein

Klara Hanstein

Klinische Psychologin, Systemische Psychotherapeutin, Autorin

Die Österreicherin schreibt seit 2021 auf ihren Instagram- und Facebook-Kanälen über Angststörungen, Panikattacken, Trauma und Burnout.

Die Psychologin war selbst davon betroffen. Mit ihren eigenen Erfahrungen und ihrem Fachwissen hilft sie mittlerweile Tausenden Menschen.

Im September 2023 ist ihr Buch “Liebe Angst, halt doch mal die Klappe!” erschienen, welches bereits 12 Monate auf der SPIEGEL-Bestseller-Liste steht.

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